Filmkritik: Avengers: Endgame (Kinostart: 24.04.19)
Gesehen: 2D, synchronisiert, deutsch, Kino
Viele
werden es nicht glauben, aber es ist gerade einmal elf Jahre her, dass der
erste Film des Marvel Cinematic Universe veröffentlicht wurde. Im Jahr 2008
wurde mit „Iron Man“ und „Der unglaubliche Hulk“ der Startschuss gesetzt für die
wohl erfolgreichste Filmreihe aller Zeiten. Nie zuvor hat es eine Filmreihe mit
solch einem großem Umfang an Filmen gegeben wie das MCU, welches zusammen mit „Avengers:
Endgame“ ganze 22 Werke umfasst. Dabei handelte es sich jedoch nicht nur um
irgendwelche Produktionen, sondern nahezu jeder Film konnte unzählige neue
Rekorde aufstellen, von den Besucherzahlen über die Umsatzzahlen bis hin zu den
größten Marketingerfolgen und Vorverkaufsergebnissen. Das geplante große Finale
wird sogar in so vielen Kinos gespielt, wie noch kein Film je zuvor.
Diesem Erfolg eifern mittlerweile die Studios der DC-Comics sowie auch Sony eifrig
nach und wollen somit auf den Erfolgszug aufspringen. Dabei ist es erstaunlich,
dass Sony bereits 1990 von Marvel das Angebot bekam für nur 25 Millionen Dollar
ein eigenes MCU zu entwickeln, doch war Sony daran nicht interessiert, mit der
Begründung, dass doch niemand diese Marvel-Helden sehen wolle. Fraglich wäre also,
was geschehen wäre, wenn diese naive Einstellung zu Comicfiguren damals nicht
vorhanden gewesen wäre? Wäre das MCU solch ein großer Erfolg geworden oder
vielleicht noch größer und hätten die Produktionen eine ähnlich starke Qualität
bieten können? Wir werden es leider nie erfahren und freuen uns welche
Überraschungen die Comicstudios zukünftig zu bieten haben werden.
Vogelgezwitscher überall. Ein laues Sommerlüftchen schwebt über die Lichtung in
mitten eines Waldes, in dem Clint Barton mit seiner Frau und seinen Kindern in
einem beschaulichen kleinen Häuschen lebt. Im Genuss des ruhigen und traumhaft
freien Daseins steht ein schmackhaftes Essen auf dem Hauszugehörigem Land an. Während
Barbara Barton das Essen bereitet, ist Clints Tochter fleißig am Trainieren.
Nicht wie jedes andere Kind turnen oder Leichtathletik, sie möchte viel lieber
von ihrem Vater lernen den perfekten Pfeil zu schießen. Mit dem
Meisterbogenschützen schlecht hin als Lehrer, gelingt ihr der perfekte Schuss
ins Zentrum der Zielscheibe. Sie macht sich auf den Pfeil herauszuziehen, um
einen weiteren Schuss abzugeben. Doch während Clint sich nur für einen Augenblick
abgewendet hat, verschwindet seine Tochter ins Nichts. Als er sich wieder
umdreht, ist er voller Überraschung wo sie denn hin sei, doch diese
Überraschung weicht schnell Sorge, Angst und größter Panik. Als er sich Hilfe
suchend wieder zu seiner Frau wenden will, ist auch diese verschwunden. Es
umgibt ihn von einem auf den anderen Moment völlig Einsamkeit.
Was war geschehen? 50% aller Menschen wurden ausgelöscht, von dem wohl skrupellosestem
Wesen, dass das Universum bisher gesehen hat: Thanos. Doch dabei bleibt es
nicht. Er hat exakt die hälfte aller Lebewesen vernichtet und sich auf einen
einsamen Planeten zurückgezogen, um dort den Rest seines Lebens zu verbringen.
Während viele der überragenden Helden, die in den vergangenen Jahren die Welt
wieder und wieder gerettet haben ebenfalls eliminiert wurden, liegen die
Überlebenden in tiefster Trauer. Doch ein restlicher Funken Mut und Kraft
steckt in den verbleibenden Beschützern der Erde. Dieses reicht aus um eine
Mission zu starten Thanos zu vernichten. Trotz eines hervorragend geplanten
Angriffs auf ihn, müssen alle beteiligten feststellen, dass ihre letzte Chance
verloren ist: Thanos hat alle Infinity-Steine zerstört und somit nichts dem
Zufall überlassen.
Zurück auf der Erde muss die Gruppe verarbeiten, dass ein bereits tot
geglaubter Mann zurückkehrt und das Verständnis von Raum und Zeit für alle
völlig über den Haufen wirft. Es beginnt eine aufregende Reise, deren Ziel es
ist in den Besitz aller Infinity Steine zu gelangen, um sich daraufhin an
Thanos zu rächen. Alle Kräfte müssen gebündelt werden, damit die Helden
gemeinsam diese Aufgabe bewältigen können, doch das ist gar nicht so leicht.
Viele haben ihre Liebsten verloren und sind in tiefer Trauer und voller Angst,
dass ein Eingriff in den Verlauf der Zeit weitere weitreichende Folgen tragen könnte.
Nach vielen Jahren Wartezeit, in denen die Spannung jährlich stark gesteigert
wurde, waren die letzten Stunden vor der Veröffentlichung des finalen Avenger-Films
kaum noch auszuhalten. Schon jetzt möchte ich appellieren, dass Spoiler des
Films in höchstem Maße unerwünscht sind. Alle Zuschauer sind daran interessiert
die Gefühlsschwankungen miterleben zu dürfen, ohne zu wissen was ihn erwartet.
Leider interessiert dies nicht alle Menschen und so wurde auch ich persönlich
kurz vor der eigenen Sichtung gespoilert. Wenn auch nur minimal und ohne wesentliche
Informationen, die mir den Filmgenuss zerstört hätten, ist es absolut unfair die
Fantasie und Träumerei anderer zu zerstören. Bemüht euch also zumindest ein paar
Wochen die Diskussionen nicht vor anderen potenziellen Kinogängern zu führen!
Dieser Film verbreitet sehr gemischte Gefühle, nicht weil er nicht gut ist oder
gar zu gut wäre sondern weil es die Regisseure Anthony und Joe Russo geschafft
haben einen stetigen Wandel der Emotionen zu kreieren. Trauer, Humor, Spannung,
Verblüffen, Angst, Begeisterung, Gänsehaut und Trübsal wechseln sich
gegenseitig ständig ab und sorgen für eine lebhafte Produktion. In völlig
angemessenem Maße werden berührende Momente ausgekostet und ruhig mit
ausreichend Zeit abgearbeitet. Typisch für Marvel ist es eher, dass immer etwas
auf der Leinwand passieren muss und sie eigentlich die Handlung Schlag auf
Schlag vorantreiben. Fast schon erstmalig bieten sie nun die Möglichkeit den Moment
genießen zu können, ohne abrupt in eine neue Situation hinein geschleudert zu
werden.
Mehrfach gab es für eingefleischte Marvel-Fans Gänsehautmomente. Mit vielen
Flashbacks in vergangene Zeiten sorgt Marvel dafür, dass nahezu alle Figuren
der vergangenen elf Jahre wieder einen Auftritt erhalten und an viele tolle
Momente erinnert wird, in denen jeder Fan mitgefiebert hat. Bereits die erste
Gänsehaut kommt auf, als das wohl letzte Mal der Schriftzug und Titel des Films
auf der Leinwand erscheint, denn man möchte gar nicht recht fassen, dass diese
große Geschichte nun ein Ende finden soll (wenn auch nur vorläufig, da weitere
Filme schon längst geplant sind).
Es gab wohl mehrere Millionen Fantheorien, was die Avengers tun werden, um
Thanos doch noch in die Schranken zu weisen. Dennoch hat es Marvel geschafft in
nur wenigen Minuten jede Theorie über den Haufen zu werfen und verblüfft dasitzende
Zuschauer zurück zu lassen. Mit interessanten Wendungen und kuriosen Ereignissen
wird stets die Laune am hochgehalten.
Zwischenzeitlich zieht sich jedoch die Handlung ein wenig in die Länge. Ob es
besser gewesen wäre dies zu kürzen oder einfach umzuschreiben ist sehr schwer
zu sagen, da auch diese Szenen ihren eigenen Charme bieten konnten. Ansonsten
jedoch werden alle Fanträume erfüllt. Offene Fragen werden geklärt, ein
Herzschlagfinale erwartet jeden und insbesondere die ursprünglichen und somit
ersten Avengers stehen im Fokus jedes Geschehens.
Die hochklassige Besetzung im gesamten Film birgt eine völlig natürliche
Begeisterung. Mit jedem Filmstar, der seinen Auftritt bekommt, steigt die
Erwartung an das Finale des Werks. An dieser Stelle müssten die Hauptdarsteller
einen namentlichen Platz finden und ihre schauspielerische Leistung gewürdigt
oder kritisiert werden, doch bietet „Avengers: Endgame“ davon einfach zu viele.
Angefangen bei Josh Brolin über Robert Downey Jr., Chris Evans, Scarlett Johansson,
Mark Ruffalo, Paul Rudd, Jeremy Renner, Brie Larson, Gwyneth Paltrow, Michael
Douglas, Michelle Pfeiffer, Samuel L. Jackson, Cobie Smulders, Robert Redford
bis hin zu Benedict Cumberbatch, Benedict Wong, Tilda Swinton, Tom Hiddleston,
Tessa Thompson, Bradley Cooper, Vin Diesel, Dave Bautista, Zoe Saldana, Sean
Gunn, Chris Pratt und Chris Hemsworth. Auch Jon Favreau bekommt wieder seinen
Auftritt als Harold „Happy“ Hogan. Den wenigsten ist wohl bekannt, dass er einen
wesentlichen Beitrag für das gesamte MCU geleistet hat, denn er hat nicht nur als
Sicherheitschef stets ein Auge auf Iron Man gehabt sondern auch die Regie für einige
Filme der Reihe geführt unter anderem den ersten Iron Man-Film, der quasi den
Ursprung dieser Welt bedeutet.
Trotz dieser hochklassigen Besetzung kam eine Person deutlich zu kurz: Der
Schöpfer dieser Welt Stan Lee bekam zwar seine übliche Szene, wie auch in allen
anderen Marvel-Filmen, jedoch handelte es sich um einen wirklich sehr kleinen
Cameo-Auftritt. Nachdem der Tot von ihm gerade einmal ein paar Monate her ist
und „Avengers: Endgame“ das große Finale der dritten Phase des MCU darstellt,
habe ich erwartet, dass zumindest ein wenig auf sein Ableben aufmerksam gemacht
wacht und die Zuschauer dazu bewegt werden seinem zu Gedenken.
Auch bemängeln möchte ich den Auftritt von Thor alias Chris Hemsworth und Hulk
alias Mark Ruffalo. Sie selbst haben zwar ihre Rolle gut gespielt, doch war
schon die Rolle selbst nicht gut geschrieben. Die Figur Thor bat einen netten
Humor mit seiner Charakteränderung, doch war das Problem, dass diese dauerhaft
war und somit elf Jahre Charakterformung an sich überflüssig waren. Ähnliches
gilt auch für Hulk, obwohl die Figur schon von Anfang an nicht gut ankam. So
sehr wie alle Filme des MCUs im Finale gewürdigt werden, so sehr werden diese
beiden Charaktere mit Füßen getreten und das ist sehr schade.
Zu guter Letzt muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass Zeitreisen einfach
ein großes Problem in Filmen sind. Es war humorvoll auf andere Filme zu verweisen,
die sich mit Zeitreisen beschäftigen und als besondere Referenz sogar „Hot Tub“
genannt hatten. Zeitreisen eröffnen jedoch immer wieder die Problematiken von
Paralleluniversen und -zeitsträngen. Das Spiel mit Leben und Tot, das Entfernen
von Gegenständen und das Aufeinandertreffen zweier gleicher Figuren bieten nur
Raum für Logiklücken und diese werden auch nicht vermieden, wenn davon
ausgegangen wird, dass eine Handlung in der Vergangenheit keine Auswirkungen
auf die Gegenwart oder Zukunft hat. Die Frage wäre natürlich, ob es nicht auch
anders möglich gewesen wäre den Bogen zu schlagen. So ziemlich allen Fans war
klar, dass irgendeine Form der Zeitreise ein wesentlicher Faktor des Films sein
wird und gerade deshalb wäre es eine Leistung gewesen diesen Faktor komplett aus
dem Spiel zu nehmen.
Technisch zeigte sich die Meisterklasse der fleißigen Arbeiter hinter dem Film.
Eine CGI-Schlacht vom feinsten, wunderbare Actionszenen und Stunts sowie
überragende Bilder erwarten die Zuschauer. Abgestimmt mit großartig
komponierter Musik, werden alle Emotionen herausgelockt.
Dennoch bleibt, dass dies ein völlig rundes Abschlusswerk des Marvel Cinematic
Universe ist und jedem Fan wohl das Herz aufgehen wird. Wer die vergangenen
Filme nicht kennt, sollte sich nicht unbedingt diesen Film angucken, da er sehr
enttäuscht werden könnte. Die Handlung bietet nur tolle Qualitäten in Hinblick
auf die vielen Rückblicke und Verbindungen zur Vergangenheit.
Humor: 7/10 | Action: 9/10 | Erotik: 0/10 |
Niveau: 4/10 | Gefühl: 9/10 | Musik: 8/10 |
Spannung: 4/10 | Gewalt: 4/10 | Idee: 9/10 |
Gesamtbewertung: 7/10
Viel Spaß im Kino!