Filmkritik: Greta (Kinostart: 16.05.19)

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Gesehen: 2D, englisch – OV, deutsch – synchronisiert, Kino

In Deutschland werden jedes Jahr rund 80 Menschen entführt, doch nur von den wenigsten wird in den Medien berichtet, damit Nachahmungstäter vermieden werden. In den USA ist diese Zahl noch deutlich höher. Etwa 7% der Entführten kommen dabei ums Leben und gerade einmal 9% kommen durch fremde Hilfe wieder in Freiheit*.
Als Neil Jordan das Drehbuch von Ray Wright zum Film „Greta“, der ursprünglich „The Widow“ hieß, war er von dem Entführungsfall sofort gefesselt, denn im Gegensatz zu vielen sonstigen Filmen dieser Art, spielt sich die gesamte Story zwischen zwei Frauen ab. Häufig werden Männer als Entführer von weiblichen oder männlichen Opfern stereotypisiert womit zwangsläufig immer eine ähnliche Basisstory entsteht, die häufig auch die sexuelle oder emotionale Bindung zwischen Täter und Opfer aufgreift.
Einen wesentlichen Beitrag für eine gute Produktion lieferten die beiden hervorragenden Schauspielerinnen Isabelle Huppert und Chloë Grace Moretz. Ausgezeichnet mit unzähligen Preisen vor allem in Cannes hat Frau Huppert sich einen Namen durch Produktionen wie „Elle“, „Die Klavierspielerin“, „Geheime Staatsaffären“ oder „Violette Nozière“ gemacht und die Filmwelt begeistert. Doch auch im Theater spielt sie seit Jahren keine kleinen Rollen mehr und ist zudem noch Trägerin mehrerer nationaler Verdienstorden.
Chloë war zwar auch schon mehrfach auf der Leinwand zu sehen, feierte jedoch noch nicht ganz so große Erfolge wie ihre Kollegin. Doch auch sie hatte schon Auftritte in Werken großer Regisseure wie Martin Scorseses „Hugo Cabret“, Tim Burtons „Dark Shadows“, Stephen Kings „Carrie“ oder Oliver Assayas‘ „Die Wollen von Sils Maria“. Die gerade einmal 22 Jährige hat in ihren jungen Jahren schon an weit mehr als 30 Filmen mitgewirkt und tritt dahingehend Huppert somit nahezu ebenbürtig entgegen.

Im Kern beschäftigt sich der Film mit Verlust, Trauer und Einsamkeit

James Flynn, Produzent

Die junge Frances bemerkt eines Abends in der U-Bahn eine verlassene Handtasche auf einem Sitzplatz. Da niemand sich um diese schert, nimmt sie sich dieser an und versucht sie an einer Fundstelle abzugeben. Da die Schalter jedoch bereits geschlossen sind, nimmt sie diese mit nach Hause zu ihrer Freundin und Mitbewohnerin Erica. Die Partyschwester schaut Frances eher skeptisch an in Hinsicht auf das Mitbringsel, da ihr bewusst ist, dass in New York solch ein Fund eher die Polizei auf den Schirm ruft.
Frances ist jedoch fest entschlossen der Eigentümerin, die sogar ihren Ausweis in der Tasche gelassen hatte, ihre Hab und Gut zurück zu bringen. So lernt sie am kommenden Tag die altmodisch, etwas betagte und dennoch lebenslustige alleinstehende Greta kennen, die überaus dankbar über den Fund ist und sich erkenntlich zeigen möchte. In den kommenden Tagen nimmt Greta immer wieder Kontakt auf und freundet sich mit Frances Stück für Stück an. Dieses harmonische Miteinander soll ein jähes Ende finden, als das junge Mädchen auf der Suche nach Kerze zufällig einen Schrank in Gretas Wohnung öffnet, in dem mehrere der anfänglich gefundenen Taschen stehen, alle versehen mit einem Namen, der passenden Telefonnummer sowie dem selben Inhalt.
Francis und Erica mahlen sich daraufhin die schlimmsten Theorien über Greta aus, doch niemals konnten sie damit rechnen, was folgt.

Ich bin dein Freund, wenn du meiner wirst!

Neil Jordan, Regie

Aus einem harmonischen gute Laune Film, in dem Freundschaft und das alltägliche Leben einen großen Stellenwert einnehmen, wird in Sekundenschnelle ein rasanter Psycho-Thriller. Nur selten erlebt man, dass die Stimmung sowohl von den Zuschauern als auch im Film selbst so schnell kippt. Angefangen bei der Musik bis hin zur Kameraführung und den Schnitten versteht es Neil Jordan perfekt, dramatische Stilmittel einzusetzen und auch mit einfachsten Arbeiten große Spannung zu erzeugen. Ergänzend dazu verkörpert Isabelle Huppert ihre Figur fanatisch und beängstigend, so dass es schwer ist, der von ihr ausgehenden psychischen Folter zu entgehen. Chloë hingegen geht in ihrer Rolle als Gegenpart und nimmt eine spannende Entwicklung von der unbedarften, naiven Studentin zur standhaften und durchsetzungsfähigen jungen Frau bis hin zur gebrochenen und verzweifelten Opferfigur.
Teilweise erinnert das Werk an die jüngst erschienene Serie „You – Du wirst mich lieben“ auf Netflix, doch versteht es die Produktion die Anspannung noch zu erhöhen durch völlig alltägliche Begebenheiten und authentische Figuren, in die es einfach fällt sich hinein zu versetzen. Mit nur wenig Handlung wird es geschafft eine sehr komplexe Geschichte zu erzählen, die verrückter kaum sein könnte. Kleinste Handlungen, wie das Zeigen von ein paar simplen Fotos, schaffen es die Gefühle völlig aus der Bahn zu werfen.
Dennoch muss auch eine Warnung ausgesprochen werden, denn obwohl der Film auf nahezu jegliche schlimmere Gewalt verzichtet, gibt es eine sehr blutige Szene, die absolut nichts für schwache Nerven ist. Passt also auf wenn die Töpfe in der Küche anfangen zu glühen!
Einen kleinen Kritikpunkt gibt es leider trotzdem, denn was den Film entsprechen des gesamten Verlaufs optimal abgerundet hätte, wäre ein offenes oder sehr dramtisches Ende, auf welches leider verzichtet wurde.

Ansonsten bekommt dieser Überraschungsfilm ein dickes, fettes Lob, denn es ist lange her, dass mir bei einem Thriller die Tränen gekommen sind vor lauter Anspannung. Beim zweiten Schauen war dies sogar noch schlimmer!

Humor: 2/10Action: 2/10Erotik: 2/10
Niveau: 9/10Gefühl: 8/10Musik: 7/10
Spannung: 10/10Gewalt: 4/10Idee: 9/10

Gesamtbewertung: 10/10

Viel Spaß im Kino!

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