Filmkritik: Aladdin (Kinostart: 23.05.19)
Gesehen: 2D, englisch, Kino
Viele Mythen wanken sich um die Herkunft einiger
Märchenerzählungen. Jedem ist wohl das Buch Tausendundeine Nacht ein Begriff
auch ohne, dass man es gelesen hat. Vermutlich stammen einige der Tierfabeln
und die Rahmengeschichte bereits aus der Zeit um 250 mit indischem Ursprung. Angeblich
seien die Erzählungen um 500 herum dann ins persische übertragen und um
entsprechende Märchenerzählungen erweitert wurden. Das Buch hieß damals nur „Tausend
Erzählungen“ (persisch هزار افسان – hazār
afsān). Es folgte zirka 300 Jahre später die Übersetzung ins arabische, wo
weitere Geschichten und Märchen ergänzt wurden. Erstmalig zählte man im elften
und zwölften Jahrhundert das vollständige Geschichtenrepertoire, welches auf
1001 Nächte verteilt war, doch gab es über die Jahrhunderte hinweg unzählige
Veröffentlichungen und ebenso viele Verluste. Deshalb wurden immer wieder neue
Geschichten hinzugefügt, während andere vergessen und verloren gingen. Die
Druckausgaben von Boulaq und Calcutta sowie Antoine Gallands im 18. und 19.
Jahrhundert gelten wegen der scheinbaren Vollständigkeit als authentischste
Texte und somit als vollzählig recherchiertes Buch.
Die Geschichte von Aladdin, beziehungsweise anfangs noch Aladin geschrieben und
aus dem arabischen kommend: علاء الدين ‚Alā‘ ad-Din (Deutsch: Adel/Erhabenheit des Glaubens), wurde
vermutlich erst vom französischen Übersetzer Antoine Galland im 18. Jahrhundert
hinzugefügt. Seitdem wurde die Geschichte vielfach adaptiert, neu erzählt und
wiederaufgeführt. Erstmalig gab es 1822 eine Oper von Nicolo Isouard und etwa
100 Jahre später die erste Verfilmung in einem schwarz/weißen Stummfilm („The
Thief of Baghdad“). Insgesamt gibt es mittlerweile 13 Verfilmungen aus allen
möglichen Ländern, unter anderem Russland, Indien und Amerika. Die heute wohl
bekannteste ist sicherlich die Disneyproduktion aus dem Jahr 1992 von der es auf
Grund der unzähligen Auszeichnungen (Oscar für die beste Filmmusik, Besten Song;
Golden Globe für Robin Williams und Alan Menken; …) und des großen Erfolgs zwei
Fortsetzung, eine Fernsehserie und nun einen Realfilm gibt. Dies war auch das
erste Werk in dem der Protagonist den Namen in der modernen Schreibweise (Aladdin)
erhielt. Die ursprüngliche Schreibweise entspricht der eher üblichen, die neue
der aus dem englischsprachigen Raum.
Steal an apple and you are a thief. Steal a kingdom and you are a statesman.
Dschafar – Aladdin (2019)
Auf einem kleinen Schiff, weit draußen auf dem Meer, lebt eine vierköpfige Familie und reist von Land zu Land. Die Kinder wünschen sich von ihrem Vater (Will Smith) eine gesungene Geschichte, doch möchte dieser viel lieber erzählen. Nach jähem Bitten und Betteln steigt ihr Vater aufs Oberdeck, dreht sich um und beginnt einen Sprechgesang, der die Geschichte von Aladdin und der Wunderlampe erzählt. Aladdin ist ein elternloser Bettler in den Straßen von Agrabah, bekannt in der ganzen Stadt und doch nur ein armes Nichts. Zusammen mit seinem Affenkumpel Abu stibitzen sich die beiden alles was sie zum Leben brauchen und sind gleichzeitig so gutherzig, dass sie sich um noch ärmere Kinder sorgen. Sein Leben als Dieb soll ein jähes Ende finden, als er durch Zufall die Prinzessin Jasmin (Naomi Scott) entdeckt, die aus dem Palast geflohen ist, um mehr als nur ihren Palast, in dem sie ihr ganzes Leben verbringen musste, kennen zu lernen. Vom ersten Moment an ist Aladdin hoffnungslos verliebt in sie und widmet sich von nun an dem Wunsch sie näher kennen zu lernen und mit ihr zusammen zu sein. Doch muss Jasmin einen Prinzen heiraten und kann nicht mit einem Nichtsnutz zusammenkommen. Wie also soll es ihm möglich sein?
Die Neuverfilmung greift die Geschichte des Animationsfilms von 1992, im Folgenden als „Original“ bezeichnet, in nahezu exakter Kopie auf. Es gibt einige Szenen, die herausgeschnitten sowie auch welche, die neu hinzugefügt wurden. So wird die einleitende Erzählung zwar in gewisser Art und Weise beibehalten, schlägt jedoch einen weit größeren sinnhaften Bogen als es im Original der Fall war. Es fehlten leider einige sehr imposante Momente, die durchaus wünschenswert gewesen wären, aber vermutlich auf Grund des großen Produktionsaufwands weggelassen wurden. So musste die Wunderhöhle musste leider enorm an Größe und Imposanz einbüßen, ebenso wie der Palast des Sultans.
Zu Beginn des Films wurde mit einer hervorragenden und scheinbar schnittlosen Kameraführung gearbeitet, die die Lokalität Agrabah dem Zuschauer vorstellen soll. Die Stadt wurde mit viel Mühe mit Kulissen und digitaler Technik aufgearbeitet und viele prägnante Orte eingebaut. Gleichzeitig entstehen jedoch auch recht ungewöhnliche Bilder, denn während der Flucht von Aladdin vor den Wachen, die lange nicht so spektakulär daher kommt wie im Original, scheinen manche Momente seltsam beschleunigt, als hätte jemand zu lange auf den Vorspulknopf gedrückt.
Viel Spekulationen und Kritik hat das Werk schon im Vorfeld geerntet wegen der möglicherweise unglücklichen Besetzung verschiedener Figuren. Insbesondere Will Smith wurde als völlig unpassend und unwürdig für seine Rolle als Dschinni bezeichnet und angesichts des ersten längeren veröffentlichten Trailers mag dies auch stimmen. Im gesamten Verlauf des Films stellt sich jedoch heraus, dass Smith sich wunderbar in seine Rolle einfügt und nicht im Ansatz versucht den überwältigen Robbin Williams zu imitieren, der die Stimme gab für den animierten Dschinni. Auf ganz eigene Weise verkörpert Smith diese Figur und zeitweise kam sogar das Gefühl der damaligen „The Fresh Prince of Bel-Air“-Serie wieder auf. Wohlgemerkt ist dies ein Lob und keine Kritik an seiner Spielweise!
Auch Naomi Scott hat eine hervorragende Rolle gespielt, nicht nur wegen ihrer persönlichen Leistung, sondern auch weil ihr Charakter außergewöhnlich fabelhaft geschrieben war. Sie verkörpert eine sehr starke Prinzessin Jasmin, die mit viel Selbstbewusstsein und Durchsetzungskraft auftritt und in die Fußstapfen ihres Vaters treten möchte. Alle weiteren Figuren und deren Besetzung verdienen leider keine weitere positive Erwähnung. Mena Massoud hat zwar seinen Job vorbildlich erledigt und Aladdin nach bestem Können versucht den Witz und die Leichtigkeit zu verleihen, die die Figur auch im Original besitzt, doch wirkte er häufig sehr laienhaft und überfordert.
Insbesondere die Besetzung vom Sultan und Dschafar durch Navid Negahban und Marwan Kenzari ging reichlich schief. Beide konnten nicht die Anmut ausstrahlen, die sie eigentlich innehaben sollten. Dschafar wirkte viel zu lieb und freundlich, was schon daher rührt, dass die Synchronstimme im Originalfilm viel tiefer und rauer gewählt ist und somit die Boshaftigkeit viel stärker zu Tragen kommt. Es ist nicht leicht ihn wirklich ernst zu nehmen, da auch die Intrigen nicht so ausgefeilt gesponnen sind. Das Gegenteil ist beim Sultan geschehen, der eigentlich ein verspielter kleiner Wicht ist, der die Welt nur versteht, wenn sie ihm von seinen Beratern und Gehilfen kindhaft erklärt wird und dennoch ein gewisses Durchsetzungsvermögen innehat. Nun jedoch ist er ein unbedeutender Wicht geworden, der zwar den Titel Sultan trägt, aber tatsächlich weder den Witz noch die Erhabenheit trägt, die die Figur verdient hat.
Passend dazu ist es sehr enttäuschend, dass der Tiger und der Affe Abu nur mangelhaft animiert sind. Insbesondere bei Tigern sollten die Disney-Studios schon Erfahrung haben, nachdem auch die Mogli-Geschichte als Realverfilmung neu aufgelegt wurde und mit dem Kauf von 20th Century Fox auch die talentierten Köpfe des animierten Tigers aus dem Film „Life of Pi“ nun in den Reihen jener Animationsstudios sein dürften. Die Bewegungen wirkten jedoch leider sehr unnatürlich und fingiert. Ebenso ist es schade, dass Abu keine Stimme verliehen bekommen hat. Zwar spricht er auch im Original nicht, gibt jedoch immer wieder unterhaltsame Geräusche von sich, die den Humor ein wenig unterstrichen haben. Nun jedoch scheint er einfach nur noch dabei zu sein, weil er im Original auch zu sehen ist. Jeglicher Witz und jegliche Leichtigkeit rund um diese Figur ist somit komplett raus.
Doch nur weil viele der Figuren nicht dem entsprechen, wie die Erwartungen waren, heißt das nicht, dass es sich hier um einen schlechten Film handelt. Zwar fehlt damit ein wenig die übliche Disneymagie, dafür wirkt die Szenerie jedoch sehr musicalhaft. Gut geschriebene Dialoge überzeugen ebenso wie hervorragende Bilder. Es gibt mehrere Landschaftsaufnahmen, die dem Zuschauer den Atem rauben und jegliche verarbeitete Effekte wurden mit ausreichender Sorgfalt gestaltet.
Es lohnt sich ein wenig auf Feinheiten zu achten und man entdeckt manchmal ein paar amüsante Spielerein der Produzenten. So wurde offenbar das Disney-Schloss vom fliegenden Teppich nachgebaut als er sich ein wenig langweilte. Dies findet eher im Hintergrund statt und fällt daher wohl nur den wenigsten auf.
Die Musik wurde glücklicherweise beibehalten und noch ein wenig erweitert. Zwar fehlen einige Songs, doch ist Alan Menken, welcher bereits die Filmmusik für das Original komponierte, für diesen Film zurückgekehrt und hat all sein Können gezeigt.
Allgemeinbetrachtet ist diese Neuauflage nicht unbedingt notwendig gewesen. Sie ist zwar unterhaltsam und birgt ein wenig den Charme der damaligen Produktion, reicht jedoch längst nicht an diese heran. Die fehlende Disney-Magie enttäuscht, da die zauberhafte Entführung in eine andere Welt nicht gelingt. Handwerklich gut gearbeitet und doch nicht besser als die anderen Neuauflagen der Disney-Klassiker. Somit bleibt die Realverfilmung von „Die Schöne und das Biest“ die Beste der letztjährigen Produktionen!
Edit: Die deutsche Synchronfassung ist auch mit übersetzen Songs zu sehen. Leider bieten diese nicht das Gefühl, welches in englischer Sprache vermittelt wird und es fehlt den Texten deutlich an Kraft! Dafür ist Dschafar durch die etwas düsterere Stimme ein wenig boshafter gelungen.
Humor: 5/10 | Action: 3/10 | Erotik: 1/10 |
Niveau: 6/10 | Gefühl: 5/10 | Musik: 8/10 |
Spannung: 1/10 | Gewalt: 0/10 | Idee: 6/10 |
Gesamtbewertung: 6/10
Viel Spaß im Kino!