Filmkritik: Götter von Molenbeek (Kinostart: 21.11.19)

Ein Film von Reetta Huhtanen

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Gesehen: 2D, französisch,  OmU, Kino

Molenbeek-Saint-Jean ist eine Gemeinde der Hauptstadt Belgiens. Unter den fast 100.000 Bewohnern gibt es einen sehr großen Anteil an Einwanderern, wovon die meisten wiederum Muslime sind. Bekannt wurde die Ortschaft leider durch einen nicht so schönen Umstand, denn seit einiger Zeit wurde dies immer mehr ein Wohnort für islamistische Extremisten, die IS-Kämpfer rekrutierten und die Bewegung Sharia4Belgium ins Leben riefen. Allen wohl bestens bekannt sind noch die Anschläge in Paris im Jahre 2015, deren Attentäter flüchteten und von denen Salah Abdeslam schließlich in Molenbeek gefasst werden konnte.

Schnell wird also erkenntlich, dass dies sich zu einem absoluten Krisenviertel in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Selbstverständlich leben dort neben den vielen Problemgruppierungen auch unzählige ganz normale Bürger, die in Frieden leben und ihren Kindern eine tolle Jugend bieten wollen. Reetta Huhtanen hat mit ihrem Team zwei Jungs in diesem Stadtteil verfolgt und gezeigt wie es ist dort aufzuwachsen, umgeben von Angst, Terror und Wahnsinn und doch auch einer liebenden Familie, engen Freunden und herzlichen Heimatgefühl.

Während die beiden Kinder Aatos und Amine ausgelassen auf dem Hof spielen, ist ihnen nicht bewusst, was in unmittelbarer Nachbarschaft vor sich geht. Die beiden sechsjährigen sind beste Freunde und entdecken zusammen die Welt. Unabhängig von Aussehen und Religion machen sie stets alles zusammen und sind vor allem Neugierig auf die Kultur des jeweils Anderen. Amine wird ganz nach dem muslimischen Glauben erzogen, während Aatos mit der griechischen Mythologie aufwächst. Die dritte im Bunde, die jegliche Ideologien und Glaubensrichtungen in Frage stellt, ist die Klassenkameradin Flo, die felsenfest dem Atheismus zugewandt ist.

Wer von ihnen halt also recht? Wer ist der einzig wahre Gott, oder gibt es überhaupt einen? Stets verfolgt mittels Handkamera, lernen Erwachsene die Welt aus Kinderaugen kenne. Dabei wird eindrucksvoll das sinnvolle Unverständnis für Krieg und Extremismus gezeigt. Dies resultiert aus der kindlichen Naivität sowie der jugendlichen Unbedarftheit. Diese beginnt erst zu schwinden sobald Erwachsene ihnen falsche Werte vermitteln und unangebrachte Umgangsweisen vorleben.

Huhtanen ist es geschickt gelungen eine dokumentarische Aufarbeitung zu kreieren, die sowohl eng an der Realität angelehnt ist als auch Spielfilmcharakter besitzt. Durch völlig natürliche Begebenheiten und ohne aufwendiges Skript, werden Harmonie und Terror gleichermaßen spannend aufgearbeitet und eindrucksvoll wiedergegeben. Schon allein die Idee, Erwachsenen die Welt aus Kinderaugen zu zeigen ist großartig. Dabei dann auch noch so ein ernstes Thema abzuhandeln und der Gesellschaft ins Gesicht zu drücken, wie sinnlos kriegerische Auseinandersetzungen doch sind, ist die wohl herausragendste Eigenschaft des Werks.

Die Handlung im Film findet mehrsprachig statt und wird nicht zwangsübersetzt, sondern der Einfachheit einfach nur untertitelt. In der Kürze der Spieldauer kommt zu keinem Punkt Langeweile auf. Im Gegenteil, die Ehrlichkeit und Natürlichkeit der Situation sorgt für den ein oder anderen Schmunzler ebenso wie für berührende und emotional zerstörende Augenblicke im Moment der Trennung beider Protagonisten. Die Wogen sind stets gut ausgeglichen, um eine faire Beleuchtung verschiedener Standpunkte zu zeigen. Während sowohl die negativen Aspekte verschiedener kultureller und religiöser beleuchtet werden, stehen doch generell eher die vielen guten ideologischen Gedanken im Fokus, die dem Zuschauer möglicherweise eine neue Sicht auf einzelne Denkweisen liefern.

Humor: 4/10 Action: 0/10 Erotik: 0/10
Niveau: 8/10 Gefühl: 5/10 Musik: 3/10
Spannung: 1/10 Gewalt: 1/10 Idee: 9/10

 

Gesamtbewertung: 8/10

Viel Spaß im Kino!

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