Filmkritik: Once Upon a Time… in Hollywood (Kinostart: 15.08.19)
Gesehen: 2D, synchronisiert, deutsch, Kino
Once Upon a time in Venice,
Once Upon a Time in China, Once Upon a Time in America, Once Upon a Time in the
Hood, Once Upon a Time in Queens, Once Upon a Time in Mexico, Once Upon a Time
in Letterland, Once Upon a Time in Vietnam, Once Upon a Time in Phuket und dann
auch noch eine Serie mit Titel Once Upon A Time….
Die
“Es war einmal … “ Geschichten gibt es mittlerweile über so ziemlich jeden Ort
der Welt und der obige Auszug ist wohl noch lange nicht vollständig. Nun hat
sich auch der groß gefeierte Quentin Tarantino diesen Märchengeschichten
gewidmet und mit einem umfassend riesigen und populären Cast die Geschichte der
Manson Family in Hollywood verfilmt. Uraufgeführt beim 72. Festival von Cannes
sollte der Film eigentlich schon am 09. August starten, denn dieser Tag
zeichnet den 50. Todestag der Manson-Opfer.
Eine Woche später hat das Starensemble, bestehend aus Leonardo DiCaprio, Brad
Pitt, Margot Robbie, Luke Perry, Al Pacino, Kurt Russell, Damian Lewis, Michael
Madsen, Zoë Bell und vielen weiteren, nun den Sprung auf die Leinwand geschafft
und der Erfolgszug hat Fahrt aufgenommen, um die Einspielergebnisse in
schwindelerregende Höhen zu treiben.
Alte Hasen treffen auf neue Stars. Margot Robbie, die noch als neu am
Sternchenhimmel bezeichnet werden kann, hat ihren ersten großen Film erst vor
sechs Jahren gehabt. In „Alles eine Frage der Zeit“ tritt sie in einer
Nebenrolle als heimliche und chancenlose Liebhaberin auf. Noch im gleichen Jahr
spielte sie mit Leonardo DiCaprio in „The Wolf of Wall Street“. Von da an ging
der Karriereweg steil bergauf. Es folgten namenhafte Produktionen wie „The Big
Short“, „Suite franҫaise – Melodie der Liebe“, „Suicide Squad“, „I, Tonya“ und
„Maria Stuart, Königin von Schottland“. Kaum eine Schauspielerin ist derzeitig
beliebter am Filmmarkt. Da trifft es sich doch wunderbar, dass sie mit den
beiden wohl bekanntesten und begehrtesten Schauspielern der Branche ins
Rampenlicht tritt. Der Sexiest Man Alive von 1995 und 2000 Brad Pitt hat
ebenfalls schon einmal mit der jungen Künstlerin aus Australien
zusammengearbeitet und im Film „The Big Short“ nur knapp den Oscar für den
besten Film verpasst.
Ausgezeichnet mit einer FSK 16 reiht sich das neunte Werk des zweifachen Oscar-
und Golden-Globe-Preisträgers Tarantino in eine Serie außergewöhnlicher und
sehr umstrittener Filme ein. Immer wieder streiten sich die Kritiker über die
Qualität seiner Produktion und jegliche Liebhaber sind gespaltener Meinung,
welche doch die besten Werke des Regisseurs, Produzenten, Drehbuchautors,
Kameramanns und Schauspieler sein. Während einige eher die früheren Arbeiten
favorisieren, sind andere eher von den späteren begeistert, es gibt viele die
alle Werke liebe und unzählige Menschen, die die Art des Filmemachens einfach
generell grauenhaft finden. Als einer der wenigen Autorenfilmer produziert er
seine Filme fast gänzlich in Eigenregie und nutzt dafür häufig Anspielungen auf
andere Filme, die er während der Zeit, in der er in einer Videothek gearbeitet hat,
schätzen gelernt hat.
In seinem angeblich vorletzten Werk erzählt Tarantino die Geschichte des erfolgreichen
Schauspielers Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) und seines recht armseligen Stuntdoubles
Cliff Booth (Brad Pitt), der kaum noch in seiner eigentlich Funktion tätig
wird, dafür jedoch als Freund und persönlicher Gehilfe des großen Stars in
Aktion tritt. Hier treffen zwei völlig unterschiedliche Welten aufeinander und
während Dalton damit zu kämpfen hat, die Erkenntnis zu erarbeiten, dass er sich
auf einem absteigenden Ast der Beliebtheit bewegt, muss Booth die Launen seines
Chefs ertragen, ungeliebte Tätigkeiten ausführen und trotzdem stets zeigen, was
für ein cooler Kerl er ist. Als er irgendwann auf die junge, vermutlich noch
minderjährige Pussycat (Margaret Qualley) trifft, muss Booth lernen die eigenen
Vorurteile zu überdenken. Dalton darf in seiner Karriere einen zweiten Frühling
erleben und gibt alles dafür sich seinen Traum zu erfüllen für den benachbarten
Roman Polanski in einem Film auftreten zu dürfen.
Schon jetzt kann ich mitteilen, dass ich noch nie zu den großen Fans Tarantinos
gehörte. Etwa die Hälfte seiner Filme haben mir recht gut gefallen und es auch
in meine Blu-ray Sammlung geschafft, die andere Hälfte ist jedoch so langweilig
oder dämlich, dass sie absolut keine Erfolgsfilme für mich darstellen.
Wie sieht es also mit diesem Werk aus. Im Vorherein groß gehypt, wurden kurz
nach Veröffentlichung bereits die ersten größeren Kritiken laut. Die Spannung
war daher groß, in welches Lager des eigenen Filmrankings diese Produktion
fallen würde. Schon rein von den Filmdaten stieg die Spannung stark, denn nicht
viele Filme mit der FSK 16 bekommen eine Filmlänge von über 160 Minuten. Da ist
ordentlich Sitzfleisch und Durchhaltevermögen gefragt, zumal das Werk zumeist
ohne Pause gezeigt wird.
Inhaltlich hat die Produktion viel zu bieten und doch irgendwie nichts gezeigt.
Es gibt einen wesentlichen roten Faden, an dem sich die Geschichte entlang
hangelt und dennoch immer wieder stark davon abweicht. Bis fast zum Schluss ist
nicht so recht klar, was eigentlich vom Autor erzählt werden möchte, da
scheinbar mehrere Geschichten parallel erzählt werden. Zum Schluss wird klar,
dass viele angeschnittene Handlungsstränge vollkommen überflüssig sind. An sich
verläuft die Story wie in einem schlecht geschriebenen Buch. Der
Schaffensprozess ist nur wie folgt vorstellbar: Es gab das große Finale, auf
das alles hinauslaufen sollte. Dafür mussten die Figuren vorgestellt und ihre
Geschichte ein wenig angerissen werden. Da die Story eher recht klein ist, hat
man sich schnell noch ein paar Nebenfiguren gesucht, die keine wesentliche
Rolle spielen, aber etwas den Film abrunden könnten. Da es aber albern wäre
diese Figuren einfach nur sporadisch einzustreuen, müssen auch diese
vorgestellt werden. Also wird auch für diejenigen eine Vorgeschichte
entwickelt. Plötzlich fällt auf, dass man ja auf einen großen Twist am Ende
hinauswollte und dafür ja noch irgendwelche Bösewichte benötigte.
Selbstverständlich müssen auch diese ausreichend Screentime erhalten und
vorgestellt werden.
Auf diese Art und Weise verstrickt sich Tarantino immer weiter in die Erzählung
irgendwelcher Nebengeschichten, die irgendwo in seinem Kopf rumschwirrten und
fand nie so recht ein Ende dabei. Dies führte auch zu dieser unsagbaren
Filmlänge, bei der 100 Minuten vollkommen ausgereicht hätten, also ganze 60
Minuten weniger!
Im großen Finale sollte dann doch wieder der klassische Tarantino herauskommen
und so hat man eine maßlos übertrieben Szene gezeigt, die zwar zumindest etwas
auf geschichtlicher Basis begründet ist, aber so wohl kaum geschah. Während der
gesamte Film eher ruhig erzählt wurde und sich auf der Wirkung von Bildern und
Dialogen ausruhte, bestand zum Ende hin der Versuch einen völlig neuen Filmstil
einfließen zu lassen. Einzig und allein die letzte halbe Stunde ist für die
Anhebung der FSK von der geschätzten FSK 6 auf eine völlig gerechtfertigte FSK
16 verantwortlich. Aus einem erzählerischen Drama wurde in kürzester Zeit ein
absoluter Trash-Horror-Actioner, der jeglichen zuvor aufgebauten Charme aus den
Angeln hebt.
Generell ist es nicht so abwegig, dass das Leben in Hollywood zumindest
ansatzweise für viele Stars und Sternchen genauso oder ähnlich abläuft, doch
ist die Grund genug dies auch noch zu verfilmen, wo doch viele der gezeigten
Information allgemeiner Bekanntheit trotzen?
Immer wieder gibt es Anspielungen auf andere Filme, nicht zuletzt Tarantinos
eigene Produktionen. So findet zum Beispiel auch der Name Antonio Margheriti
wieder Platz, der in Inglourious Basterds von einem der Protagonisten
scheinheilig angenommen wurde. Dieser Name stammt von einem italienischen Filmemacher,
der vor allem durch B-Movies in Erscheinung trat. Ob Tarantino nun also auf den
Filmemacher oder auf seinen eigenen Film verweist, wird nicht gänzlich klar und
lässt Spielraum für Diskussionen.
Mehrfach wird ein Film im Film gezeigt. Zu Beginn noch im 4:3 Format werden
später immer wieder scheinbare Live-Mitschnitte eines Filmdrehs einbezogen und
so lange ausgespielt, bis sich der Zuschauer nicht mehr sicher ist, was zur
gegenwärtigen Realität gehört und was noch Teil des Filmdrehs ist. Tatsächlich
war die Handlung des gezeigten Italowesterns scheinbar deutlich spannender als
die eigentliche Hauptgeschichte, weshalb ich mir einen richtig klassischen Film
dieser Sparte, ausgestattet mit eben jenem überragenden Ensemble, aus
Tarantinos Hand sogar sehr gut vorstellen kann.
Im Mittelpunkt dabei ist natürlich, wie bereits eingehend angesprochen, ein
herausragender Cast. Lange Zeit ist es schwer einen wirklichen Hauptcharakter auszumachen,
da viele Figuren recht ähnlich viel Screentime erhalten. Irgendwann jedoch wird
klar, dass die Figur des Rick Dalton, verkörpert von Leonardo DiCaprio, den
wesentlichen Plot prägt. Das ist eigentlich sehr schade, denn schon häufig habe
ich angesprochen, dass meiner Ansicht die Paradezeit seiner Karriere bereits
überschritten ist und sein erhaltener Oscar für „The Revenant“ schon völlig
unberechtigt gewesen war. Nun wird er wieder in den Mittelpunkt gestellt, wo
doch der zweite, etwas vernachlässigte, Protagonist deutlich stärker in
Erscheinung tritt. Brad Pitt zeigt wie eh und je hervorragende Arbeit und
spielt seine Rolle völlig lässig und cool herunter, während DiCaprios Figur
vollkommen erzwungen wirkt.
Diverse berühmte Nebenfiguren erhalten eine Art Cameo-Auftritt die kurzzeitige
Begeisterung bringen und in den Beschreibungen und der Cast-Präsentation sehr
pompös wirken, aber auf den Film keinen wirklichen Einfluss haben. Auch die von
mir hoch geschätzte Margot Robbie kommt kaum zur Geltung angesichts einer
völlig obskuren Rolle der dümmlichen Schauspielerin, die sich selbst in einem
populäreren Licht sieht, als sie sich eigentlich befindet.
Die beiden einzigen wesentlichen Momente des Films werden durch eine Off-Stimme
begleitet, gesprochen von Kurt Russell, der auch selbst in Erscheinung tritt in
anderen Szenen.
Stilistisch scheint das Werk eine Art Experimentalfilm zu sein, denn Tarantino
hat versucht so ziemlich jedes Stilmittel, dass die Filmbranche bietet einmal
im Film unterzubringen. Zum Teil jedoch ohne jeglichen Sinn und Verstand,
weshalb nicht das Gefühl einer professionellen Arbeit entsteht, sondern eher
einer amateurhaften Laune. Besonders aufgefallen sind dabei die manchmal recht
harten Schnitte im Bereich Ton und Bild. Völlig unerwartet finden dort gelegentlich
Stimmungsänderungen statt, die viel zu abrupt gestaltet sind.
Auch wurden leider immer wieder massive Setausstattungsfehler getätigt. Der
aufmerksame Zuschauer merkt diese recht schnell, insbesondere da der Film
ausreichend Zeit liefert, um diese zu bemerken. Bei der Professionalität die
eigentlich hinter diesem Erfolgsregisseur stecken sollte, dürften solch simple Ungenauigkeiten
wie ein unendlich wackelnder Spiegel, der immer wieder an Schwung verliert,
nicht weiter berührt wird und in der nächsten Einstellung doch wieder mit
vollem Impuls in Bewegung ist, nicht mehr passieren.
Ebenso gestaltete sich die Arbeit mit den Kameraperspektiven und -fahrten nicht
wirklich sonderbar. Doch nicht immer müssen diese natürlich absolut besonders
sein. Hier wurden recht simple Techniken verwendet, die gar nicht weiter
auffallen.
Einige Stilmittel wurden nicht konsequent umgesetzt. Anfangs kommt der Eindruck,
dass alle Film im Filmsequenzen, zumindest die Schwarz/Weiß-Szenen, im 4:3
Format gezeigt werden, was im weiteren Verlauf des Films wieder verworfen
wurden ist.
Auch werden ein paar Figuren vorgestellt durch Einblendung der Namen. Dies geschieht
jedoch überflüssigerweise nur bei drei Personen. Ebenso gibt es einen Cut bei
dem sechs Monate in die Zukunft gesprungen wird. Dies wird langweiliger weise
und sehr klassisch mit einem kurzen Einspieler erledigt, der absolute
Kreativitätslosigkeit ausstrahlt.
Hervorragend wie eh und je war die Musikauswahl. Uneingeschränkt jeder Song
wurde sorgfältig ausgewählt und hat seinen Charme gänzlich entfalten können. Es
war wirklich schön den angenehmen Klängen zu lauschen.
Zu guter Letzt gibt es noch zu erwähnen, dass im Abspann eine recht
sympathische Szene gezeigt wird, in der die Zigarettenmarke Red Apple beworben
wird, eine von Tarantino fiktiv erfundene Marke, die bereits in anderen
Produktionen Platz gefunden hat.
Auch wird ganz zum Schluss der klassische Batman-Song eingespielt. Der Bezug
ist für mich noch nicht ganz erschlossen, daher freue ich mich sehr auf eure
Kommentare und Ideen, welchen Bezug diese Anspielung haben soll.
Nachdem ich euch nun so viel erzählt habe wie selten über einen Film, folgt
natürlich noch ein kleines Resümee.
Die Grundidee hinter dem Film finde ich eigentlich recht sympathisch und
zusammen mit diesem Starensemble macht es sogar Spaß der Geschichte zu folgen. Dennoch
ist der Film gut eine Stunde zu lang geworden, weshalb er zum Teil absolut
langweilig wirkt. Es handelt sich nicht um einen Film, den man mehrfach schauen
möchte, weshalb ich das Werk nur im oberen Mittelfeld einordnen würde.
Humor: 3/10 | Action: 1/10 | Erotik: 4/10 |
Niveau: 6/10 | Gefühl: 2/10 | Musik: 9/10 |
Spannung: 3/10 | Gewalt: 6/10 | Idee: 7/10 |
Gesamtbewertung: 6/10
Viel Spaß im Kino!
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