Filmkritik: Ich war noch niemals in New York (Kinostart: 17.10.19)
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Gesehen: 2D, deutsch, Kino
Nach ROCKETMAN, BOHEMIAN RHAPSODY, YESTERDAY und BLINDED BY THE LIGHT kommt also auch aus der deutschen Produktionsmaschinerie noch ein Musikfilm mit ICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK. Hierbei handelt es sich jedoch im Vergleich nicht um einen reinen Musikfilm zur Lobpreisung einer Band oder eines Musikers, sondern vielmehr um ein Musical. Dieses wurde auch als solches von 2007 bis 2017 in ganz Deutschland, an immer wechselnden Spielorten, aufgeführt.
Grundlage für diese Handlung liefert die legendäre Musik von Udo Jürgens. Mit einer beinahe 60 Jahre herausragenden und schillernden Musikkarriere, produzierte er Unmengen von Nummer-Eins-Hits. Zwar waren seine Songs zumeist im Schlagersektor angesiedelt, schafften es jedoch trotzdem auch darüber hinaus zu begeistern.
Inszeniert von Philipp Stölzl und in deutsch-österreichischer Koproduktion, ist der Film die realistisch cineastische Verwirklichung des Musicals mit einigen Abänderungen. So wurden zum Teil Figurenbiographien und -beziehungen komplett neu geschrieben. Im Gegenzug dazu. ist die Songauswahl nahezu gleich geblieben, jedenfalls was die choreographisch Vorgetragenen betrifft.
Doch welche Geschichte wurde um die melodisch einfallsreichen und textlich sehr unterschiedlichen Klänge des Künstlers gedichtet?
Das Schiff legt ab
Maria Wartberg (Katharina Thalbach) ist eine einsame alte Dame, die vom Lebensstil noch tief im 20. Jahrhundert verankert ist. Als ihre Tochter Lisa (Heike Makatsch) Geburtstag hat, erhofft sie sich einen Besuch von ihr, der jedoch leider ausbleibt, da diese mit ganz anderen Sorgen zu kämpfen hat. Als erfolgreiche Fernsehmoderatorin, ist sie es gewohnt im Mittelpunkt jeglicher Aufmerksamkeit zu stehen. Doch sind zählen hervorragende Einschaltquoten längst der Vergangenheit an.
Wisst ihr was das Schönste ist, wenn man nicht mehr weiß, wer man ist? Man kann sein wer man will!
Als ihre Mutter dann auch noch zu Hause ausrutscht und ins Krankenhaus muss, ist der Supergau fast perfekt. Zwar hat Maria sich nichts körperlich getan, doch hat sie fast alles vergessen. Die einzige Erinnerung, die ihr bleibt: „Ich war noch niemals in New York!“. Sie flüchtet also aus dem Krankenhaus, auf dem schnellsten Wege zu einem Kreuzfahrtschiff, dass Richtung New York ablegt. Als Tochter Lisa das bemerkt, folgt sie ihr auf kürzestem Wege. Ein Trip voller Abenteuer und der ungewollten und doch ersehnten Liebe beginnt.
Eine seltsame Eigendynamik macht sich breit
Bei einem Musicalfilm kommt es im Gegensatz zum Musical selbst nicht nur auf gute Musik, sondern auch eine ausgereifte Story an. Diese kann durchaus auch etwas kitschiger sein, da diese Art von Film vor allem der Begeisterung und guten Laune dient und somit nicht alle Kraft aus der Qualität der Arbeit zieht.
Bei ICH WAR NOCH NIEMALS IN NEW YORK geschieht hingegen etwas seltsames. Die erste halbe Stunde ist vollkommen Banane, überflüssig, albern und irreführend. Da hilft auch der Einspieler des Titelsongs, der leider im gesamten Film viel zu kurz kommt, auch kein bisschen. Die Figuren sind unsympathisch, die Witze zünden nicht und die Begeisterung kommt nicht auf.
Ich muss nach New York, weil, … , naja einfach mal gucken, ob die Wolkenkratzer noch stehen.
Dann jedoch tritt die Magie ein und mit einläuten des Songs GRIECHISCHER WEIN, bekommt das Werk seine eigene Dynamik. Die Figuren gewinnen an Charme, die Musik wird schmissiger, die Handlung unterhaltsamer und gefühlvoller und die Emotionen schlagen höher. Dabei muss jedoch gesagt werden, dass der Stil nur in sich stimmig ist. Würden einige der Witze in einen beliebigen anderen Film kopiert werden, wären sie unterirdisch schlecht. In Bezug zu diesem Gesamtpaket funktionieren sie jedoch.
Deutsche Stars und Sternchen zeigen sich
Mit viel Schwung, wird eine rasante Story erzählt, dessen Erzähltempo über den gesamten Zeitraum stets hoch bleibt. Das gleicht jedoch der hochklassige deutsche Cast gekonnt wieder aus. Unter anderem treten dabei ins Rampenlicht Heike Makatsch (DAS SCHÖNSTE MÄDCHEN DER WELT, SEIN LETZTES RENNEN), Moritz Bleibtreu (NUR GOTT KANN MICH RICHTEN, ABGESCHNITTEN, ZEITEN ÄNDERN DICH, ROADS), Katharina Thalbach (100 DINGE, DIE BLECHTROMMEL, HONIG IM KOPF, ICH BIN DANN MAL WEG), Uwe Ochsenknecht (WILLKOMMEN BEI DEN HARTMANNS, LUTHER), Michael Ostrowski (ER IST WIEDER DA, KOKOWÄÄH 2) und Pasquale Aleardi (HONIG IM KOPF, WHAT A MAN).
Die meisten von ihnen mit recht typischen und unspektakulären Auftritten, doch Frau Thalbach glänzte auf ihre alten Tage (65 Jahre alt) noch einmal mit einer bravourösen Leistung, die seines gleichen sucht. Vor allem die Tanzeinlagen sind hervorragend inszeniert und sie schwebt wie eine junge Balletttänzerin durchs Bild.
Visuell hat das Werk viel zu bieten, denn nicht nur die bunte Farbenpracht steht stets im Mittelpunkt jeder Szene, sondern es passiert auch immer überall etwas, so das kaum ein Moment bleibt, um die Leinwand aus dem Blick zu verlieren. Insgesamt erwartet den Zuschauer ein toller Feel-Good-Movie, der das deutsch österreichische Musiktalent Udo Jürgens angemessen ehrt und mit viel Tanz und Klamauk die Stimmung hebt. Es handelt sich absolut nicht um einen hochklassigen ausgereiften Film. Immer wieder treten visuell als auch akustisch kleinere Fehler auf, diese sind jedoch absolut verzeihbar und haben keinen Einfluss auf den Gesamteindruck.
Humor: 6/10 | Action: 0/10 | Erotik: 4/10 |
Niveau: 3/10 | Gefühl: 6/10 | Musik: 9/10 |
Spannung: 0/10 | Gewalt: 0/10 | Idee: 6/10 |
Gesamtbewertung: 7/10
Viel Spaß im Kino!