Filmkritik: Roads (Kinostart: 30.05.19)

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Gesehen: 2D, synchronisiert, deutsch, Kino

Er ist längst kein unbekannter mehr in der deutschen Filmszene. Nicht nur als Darsteller, sondern auch als Regisseur hat er bereits auf sich aufmerksam gemacht: Sebastian Schipper. Bereits mit 24 Jahren spielte er seine erste Filmrolle in der deutschen Komödie „Kleine Haie“ (1992). Nur wenige Jahre später folgte dann auch sein Regiedebüt mit „Absolute Giganten“ (1999), welcher prompt mit dem deutschen Filmpreis in Silber ausgezeichnet wurde. Besonders im Jahr 2015 kam man dann auf keinem Weg mehr an ihm vorbei, denn mit seiner Produktion des Films „Victoria“ begeisterte er das Publikum und die Kritiker endgültig. Ein One-Shot-Film, der seines Gleichen sucht war geboren und hat ihm unfassbar viel Ruhm und Ehre eingefahren.
Typisch für seine Produktionen ist das Thema Freundschaft und Zusammenhalt, was auch in seinem neusten Werk kein bisschen zu kurz kommt.

Gyllen (Fionn Whitehead) und William (Stéphane Bak) sind zwei Heranwachsende an der Grenze zur Volljährigkeit. Beide befinden sich in Marokko, jedoch mit völlig unterschiedlichen Hintergründen. Während Gyllen dort mit seiner Familie Urlaub macht, befindet sich William auf dem Weg von Marokko nach Frankreich, um seinen Bruder dort zu suchen. Eine Fügung des Schicksals bringt diese beiden schließlich zusammen, als Gyllen beschließt sich das Wohnmobil seines Stiefvaters zu schnappen und zu seinem leiblichen Vater zu fliehen. Sie entdecken, dass beide das gleiche Ziel haben und beschließen somit ihre Reise gemeinsam anzutreten. Diese führt die beiden von Marokko nach Spanien, über Frankreich, mit dem Ziel weiter nach England zu reisen. Immer wieder müssen sie dabei mit Problemen fertig werden, die nicht geplant waren. So hat William keinen Pass bei sich, weshalb die Grenzüberschreitungen sehr problematisch und gefährlich sind. Auch wird ihnen das Wohnmobil unter den Hintern weggeklaut und beide sind ratlos, was sie tun sollen. Werden sie es also schaffen ihr Ziel zu erreichen?

Zwar qualitativ lange nicht so überragend wie sein vorheriges Meisterwerk, aber dennoch recht solide und anschaubar hat Schipper ein Flüchtlingsdrama geschaffen, welches getarnt ist als Roadmovie. Das führt auch dazu, dass anfangs recht lange Verwirrung herrscht, was für eine Geschichte überhaupt erzählt werden will. Dazu beigetragen hat auch das plötzliche Auftauchen und ebenso schnelle verschwinden des recht talentierten und dennoch von mir persönlich unbeliebten Moritz Bleibtreu. Unüblich für bekannte Schauspieler, hat er nur eine kleine Nebenrolle erhalten, die vielleicht zehn Minuten des Films ausgemacht hat. Dies war jedoch ein sehr geschickter Schachzug, denn in den wenigen Minuten hatte er eine sehr prägnante und einnehmende Rolle, die er mit Bravour verkörperte und herausragend spielte.
Die Protagonisten des Films waren jedoch nicht weniger erwähnenswert. Sowohl Fionn Whitehead als auch Stéphane Bak haben mit all ihrem Können die zwei reisenden, fast schon flüchtenden Jungs verkörpert, die Stück für Stück mehr mit dem Thema „Flüchtlinge“ in Kontakt kommen und lernen wie schwer es für diese Menschen sein muss.
Schipper bewies an dieser Stelle deutlich sein Können. Mit wenig Dialog und auch nur wenigen, aber dafür sehr gezielten Bildern, schafft er es eine Geschichte zu erzählen, die den Zuschauer zwar nicht begeistert, aber zumindest nachempfinden lässt, in welcher Situation sich die Protagonisten befinden. Immer wieder merkt man seine Hand hinter dem Projekt, denn häufig werden ähnliche Stimmungen und stilistischen Mittel genutzt, die bereits in seinen vorherigen Filmen erfolgreich zum Einsatz kamen.
Durch eine sehr ruhige Art der Erzählung fällt es dem Zuschauer leicht allen Handlungssträngen zu folgen. Musikalisch wurde die Geschichte nur mit einigen Gitarrenriffs sowie elektronischen Tönen versehen, die etwas Leben in die sonst sehr ruhigen Bilder und die ebenso sanfte Kameraführung bringen. Zur etwas schläfrigen Stimmung hat auch die häufig verwendete Tageszeit beigetragen, denn zumeist wurde in Dämmerungszeiten gedreht und somit die morgendliche Trägheit eingefangen. Leider wurden jedoch auch sehr viele Tag und Nachtwechsel einbezogen, die die Reise länger erschienen ließen, als sie eigentlich sein dürfte und zusätzlich dem Zuschauer an manchen Stellen Probleme bereiten dürften, da sich die Augen auf ein sehr dunkles Bild irgendwann eingestellt haben und kurzer Hand ein Wechsel zu einem sehr grellen und intensiv hellem Bild folgt. Insgesamt musste man dreimal die Augen zukneifen, um sich vor dem Licht zu schützen.
Auch wenn die Dialoge spärlich eingesetzt wurden, lebt der Film doch fast ausschließlich von ihnen. Insbesondere weil sowohl Spanisch als auch Französisch und Deutsch und zum Teil auch die englische Sprache in das Geschehen einbezogen wurden, ohne sie einfach zu übersetzen, sondern nur zu untertiteln.
Während zu Beginn die Reise noch recht unterhaltsam wirkt, entsteht im weiteren Verlauf eine recht bedrückende und beklemmende Stimmung.
Ein in gewisser Form offenes Ende zeigt die Fortdauer der gesamten angesprochenen Problematik auch in der Realität und vermittelt die Ungewissheit, die viele Menschen jeden Tag auf dem Planeten durchleben müssen.
Leider sorgen die vielen ruhigen Erzählweisen und Stilmittel auch dafür, dass der Film streckenweise etwas langatmig und langweilig wirkt. Dazu kommt, dass es zwar schwer abschätzbar ist, wie sich betroffen Personen tatsächlich fühlten und was sie durch gemacht haben, doch scheint diese Verfilmung schon fast eine Verharmlosung der Realität zu sein. Nachdem schauen dieses Werks könnte man den Eindruck haben, die Flüchtlingsreise selbst wäre recht entspannt und unterhaltsam, was wohl eher nicht der Fall ist. Hier hätte somit eine deutliche Dramatisierung der Handlung gut getan und auch die Spannung für den Zuschauer noch einmal angehoben.

Humor: 1/10Action: 0/10Erotik: 0/10
Niveau: 7/10Gefühl: 4/10Musik: 2/10
Spannung: 4/10Gewalt: 0/10Idee: 6/10

Gesamtbewertung: 7/10

Viel Spaß im Kino!

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